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VR

MEDICUS

GESUNDHEITSPOLITIK.

Die demografische Entwicklung schlägt sich auch in Nord-

rhein-Westfalen in einer jährlich steigenden Anzahl an Pfle-

gebedürftigen nieder. Bei abnehmendem familiären Pfle-

gepotenzial sind immer mehr Pflegebedürftige auf eine

professionelle Versorgung, beispielsweise in einem Pflege-

heim, angewiesen. In der Vergangenheit zeigte sich jedoch,

dass hinsichtlich der ambulanten medizinischen Versorgung

der Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen zum Teil

große Defizite bestanden. Mittlerweile haben sowohl der

Gesetzgeber als auch die Selbstverwaltungspartner diesbe-

züglich Maßnahmen ergriffen. Bei entsprechendem Versor-

gungsbedarf haben Pflegeeinrichtungen nach § 119b SGB V

die Möglichkeit, einzeln oder gemeinsam Kooperationsver-

träge mit Vertragsärzten zu schließen, die auf Antrag der

Pflegeeinrichtung durch die Kassenärztliche Vereinigung

(KV) zu vermitteln sind. Sofern die Suche nach vertragsärztli-

chen Kooperationspartnern ergebnislos verläuft, hat die Pfle-

geeinrichtung das Recht, einen Arzt anzustellen.

Um die medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen zu

optimieren, haben der GKV-Spitzenverband und die Kassen-

ärztliche Bundesvereinigung unter Beteiligung der Vereini-

gungen der Träger der Pflegeeinrichtungen sowie der Ver-

bände der Pflegeberufe Anforderungen an eine kooperative

und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung von

Pflegeheimbewohnern definiert. Die Grundlage hierfür bil-

dete das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz. Ebenso wurde fest-

gelegt, dass auf Landesebene zusätzliche Honorare in Form

von Vergütungszuschlägen, bspw. für ärztliche Besuchsleis-

tungen, vereinbart werden können. Hierdurch versprachen

sich die Initiatoren wichtige Anreize, um die (zahn)ärztliche

Versorgung der Pflegebedürftigen zu verbessern.

Daneben wurden auch auf Ebene der KVen zum Teil inte-

ressante Modelle entwickelt. Nach dem erfolgreichen Pro-

belauf eines Integrationskonzepts der AOK Westfalen-Lippe,

das über eine Anruf- und Berufsbereitschaft die medizini-

sche Versorgung der Heimpatienten in Witten sicherstellte,

wurde die Ausweitung auf die Regionen Bünde, Lippe, Marl,

Münster und Unna beschlossen. Das Projekt, das seit Juli 2014

zunächst für eine Dauer von zwei Jahren läuft, basiert auf

einem Strukturvertrag nach § 73a SGB V und hat deshalb

Nach dem erfolgreichen Probelauf eines Integrationsprojekts der AOK zur Verbesserung der Versorgung

von Heimbewohnern haben nun die Kassenärztliche Vereinigung und die Kassen in Westfalen-Lippe eine

Ausweitung auf fünf weitere Modell-Regionen beschlossen.

Pioniercharakter, weil sechs Ärztenetze als Vertragspartner

die Versorgungsverantwortung übernehmen. Beteiligt sind

MuM – Medizin und Mehr eG, Ärztenetz Lippe GmbH, Mar-

ler-Arzt-Netz Gesundheits GmbH, HVM Hausärzteverbund

Münster, Facharztinitiative Münster e. V. und die Gesundheits-

netz Unna GmbH. Die Heimbewohner profitieren von folgen-

den Leistungen:

Regelmäßige Untersuchung durch die niedergelassenen

Haus- und Fachärzte, die in den Bereichen Geriatrie, De-

menz und Schmerztherapie spezielle Qualifikationsmaßnah-

men durchlaufen.

Angebot fester Sprechstunden und verlässliche ambulante

Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten durch

ein Bereitschaftsmodell.

Bessere Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegeheim-

mitarbeitern (gemeinsame Besprechungen an Freitagnach-

mittagen, mit dem Ziel, Notfallsituationen vor allem an Wo-

chenenden und Feiertagen möglichst zu vermeiden).

Verbesserte Kontrolle/Sicherheit der Arzneimitteltherapie.

In Planung: Einbindung von entlastenden Versorgungs-

assistentinnen (EVA).

Auch hinsichtlich der Vergütung geht das Modell neue Wege:

Beteiligte Ärztenetze erhalten eine Quartalspauschale von

120 Euro je eingeschriebenem Patienten, die außerbudgetär

gewährt wird. Den größten Anteil hiervon übernehmen die

Kassen. Der Rest wird von der KV Westfalen-Lippe aus den

bereits im Rahmen des Honorarvertrags für 2013 hierfür ei-

gens gewährten Mitteln finanziert.

Das Projekt zur Verbesserung der Versorgungsqualität in den

Pflegeheimen, das im Rahmen des gemeinsamen Landesgre-

miums für eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit im

Gesundheitssystem nach § 90a SGB V initiiert wurde, könnte

auch für andere KVen richtungsweisend sein. Denn neben

einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Le-

bensqualität von Pflegeheimbewohnern sowie einer Entlas-

tung des Pflegepersonals ergeben sich auch klare wirtschaft-

liche Vorteile. Wie bereits das AOK-Projekt in Witten zeigt,

trägt eine verlässliche und verbesserte Betreuung der Heim-

bewohner dazu bei, die Zahl der Klinikeinweisungen und die

Ausgaben für Fahrtkosten zu reduzieren.

Westfalen-Lippe: Vertrag zur ambulanten Versorgung

im Heim mit Modellcharakter